Wer muss scheiden, wer darf bleiben – für die Freiheit

aus Weser Report, Beilage West vom 07.06.2015

Die Speicherbühne ist ein Ort für experimentelles Theater, Musik und Performances und liegt am Rand der wachsenden Überseestadt im letzten gründerzeitlichen Hafenspeicher Bremens, dem Speicher XI. Derzeit arbeiten die Künstler an der Produktion „Bremer Freiheit“.

Das Stück um Emanzipation und Schuld wurde von Rainer Werner Fassbinder verfasst. Es basiert auf der wahren Geschichte der historischen Bremer Giftmörderin Gesche Margarethe Gottfried, Urheberin einer der bekanntesten Serienmorde des 19. Jahrhunderts. Über 14 Jahre hinweg tötete Gesche Gottfried Menschen in ihrem nächsten Umfeld. Eitern, Kinder und Ehemänner bekamen von ihr „Mäusebutter“ zu essen, mit Arsen vermischtes Schmalz. Ob sie kalt berechnend handelte oder einfach wahnsinnig war, wird bis heute kontrovers diskutiert.

Zum bis heute hohen Bekanntheitsgrad hat vielleicht der Umstand beigetragen, dass an Gesche Gottfried im Jahre 1831 die letzte öffentliche Hinrichtung Bremens exekutiert wurde; an den Standort des Richtblocks auf dem Bremer Domshof erinnert der „Spuckstein“, dessen Funktion mit dem sprechenden Namen hinreichend beschrieben ist.

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„Bremer Freiheit“· eine Inszenierung des Bremer Amateur Theater Ensembles (BAT) in der Speicherbühne. Foto: pv

 

Es gab nur sehr wenige Stimmen, die der Giftmörderin Verständnis entgegenbrachten; einer davon war Rainer Werner Fassbinder, der in seinem Stück den gesellschaftlichen Verhältnissen die Schuld gab. Als er 1971 im Concordia, der damaligen Experimentierbühne des Bremer Theaters, die „Bremer Freiheit“ selbst inszenierte (und ein Jahr später auch verfilmte), hatte er ein Melodram oder eine schaurige Moritat im Sinn. Der Untertitel „bürgerliches Trauerspiel“ war nicht nur als Provokation gedacht. Wilfried Minks baute ihm damals die Bühne als blutrot eingefasstes, am Boden liegendes Kreuz. Gesche ist eine Frau, die Wünsche hat, die Ansprüche stellt. Sie ist eine Frau mit Eigensinn, die sich den von Männern geprägten Normen ihrer Zeit nicht fügen will. Als Unterdrückte wird Gesche dargestellt, die sich zur Wehr setzen will. Aber Gesche hat es schwer. Gefangen in einem Leben mit einem gewalttätigen Ehemann, nervenden Kindern und ihren Eitern, die von ihr erwarten, ein züchtiges Frauenleben zu führen. ,.Und ich? Ich will mit dir schlafen!“, sind ihre ersten Worte. Es sind unverschämt rebellische Worte einer Frau, die ihren Körper und ihren Geist nicht anderen zur Verfügung stellen, sondern lieber selbst über ihr Leben bestimmen will. Gesche strebt nach Selbstbestimmung und Freiheit. Als einzigen Weg, diesem Wunsch näher zu kommen, sieht sie die Vergiftung all jener, die ihr dabei im Wege stehen. Vermeintlich befreit, stellen jedoch immer neue Personen Forderungen an sie.

Aufführungen am 12. (Premiere), 13., 19. und 20. Juni, jeweils 20 Uhr. Abendkasse: 10 Euro.

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